Das „Forum-Kaufhaus“: Konsum und Modernität in den 1970er Jahren

Abbildung 1: „Forum-Kaufhaus“ als Teil des fertiggestellten „City-Zentrums“, undatiert (ca. 1975).

N.N., Fertiggestelltes City-Zentrum, Salzburg [o.J.] (1975), Archiv des Forschungsverein Geschichte und Entwicklung der Konsumgenossenschaften (FGK).

Das konsumgenossenschaftliche „Forum-Kaufhaus“ – eines der ersten Einkaufszentren in der Stadt Salzburg – wurde am 18. Oktober 1973 am Bahnhofsvorplatz (Südtiroler Platz) eröffnet.1 Als Teil der „Forum-Kaufhausgruppe“ gehörte das „Forum-Kaufhaus“ Salzburg zur damals größten Kaufhauskette in Österreich. Bei den „Forum-Kaufhäusern“ selbst handelte es sich um Prestigeprojekte der österreichischen Konsumgenossenschaftsbewegung. Sie wurden als Verkörperung für die Modernisierung des Einkaufs- und Konsumverhaltens sowie der Fortschrittlichkeit der Konsumgenossenschaftsvereine gesehen und beworben.2 Um den Trend der Zeit zu entsprechen, holte man sich Inspiration aus dem Ausland, wie folgender Ausschnitt eines Artikels aus der Verbandszeitschrift Die Konsumgenossenschaft aus dem Jahr 1969 zeigt:

„[…] Der konsumfreudigere Kunde will mit wachsender Kaufkraft umworben werden. Konventionelle Läden, Waren- und Kaufhäuser und Supermärkte haben sich ein neues Image moderner Prägung zugelegt — aber alles ist noch im Fluß. Den veränderten Verbrauchergewohnheiten in einer modernen Konsum- und Wohlstandsgesellschaft versuchen alle Handelssparten mit neuartigen Betriebsformen und perfektionierten Service-Leistungen gerecht zu werden: An die Stelle des Traditions-Ballastes und überholter klassischer Verkaufsmethoden tritt die Faszination des Erlebniskaufes […] Shopping Center in der Bundesrepublik Deutschland […] [haben es] schon zu einer gewissen Perfektion gebracht […] In diesen Einkaufszentren sind Warenhäuser und Geschäfte aller Schattierungen vertreten, vom gehobenen Kaufhaus-Genre bis zum Billigpreis-Laden, vom Warenhaus mit Vollsortiment bis zum Tabakladen. Komplettiert wird die Fülle des Warenangebotes durch Dienstleistungen wie Postamt, Bankfiliale, Friseur, Kosmetik und Restauration […]“

N.N., Alle feilen am Warenhaus neuen Typs, in: Die Konsumgenossenschaft 63/11 (1969), 125, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=1969&page=130 (10.06.2024).

Einkaufszentren in der BRD, Schweden und Großbritannien dienten somit als Vorbild für die Gestaltung und den Aufbau der österreichischen „Forum-Kaufhäuser“. Generell veränderte sich ab den 1950er Jahren das Konsumverhalten in Westeuropa und damit trat auch ein Strukturwandel des Einzelhandels ein.3 Die Einführung der Selbstbedienung wurde zu einem Symbol dafür.4 Darüber hinaus wurde das amerikanische Konzept der „Shopping Mall“ zu einem Vorbild für die Gestaltung von europäischen Einkaufszentren. Typischerweise wurden diese auf der „grünen Wiese“ mit großen Parkplatzflächen in der Nähe der Vorstadt gebaut und boten der Kundschaft „alles unter einem Dach“5 an.6

Abbildung 2: Struktur und Angebot „Forum-Kaufhaus“ Salzburg, 1973.

Grafik: Lina Güntner; Grundlage: N.N., Forum-Kaufhausgruppe weiterhin auf Expansionskurs, in: Die Konsumgenossenschaft, 67/23 (1973), 5; vgl. Volker Marten, Verteilung, 50.

Das neu errichtete Einkaufszentrum am Südtiroler Platz besaß eine Verkaufsfläche von rund 5.270 m2 und stellte 100 Kundenparkplätze zur Verfügung. Eine für heutige Verhältnisse geringe Zahl an Parkplätzen, damals jedoch als besonders fortschrittlich angepriesen. Im Vergleich zu anderen „Forum-Kaufhäusern“ war die Anzahl der Parkmöglichkeiten in Salzburg aber doch klein. Ein Umstand, der möglicherweise auf das begrenzte Bauland und/oder auf die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgeführt werden kann. Österreichweit gab es im Jahr 1973 insgesamt 31 konsumgenossenschaftliche „Forum-Kaufhäuser“.7 Das Einkaufszentrum in Salzburg verfügte über 29 Spezialabteilungen, in denen von Autoersatzteilen über Bekleidung bis zu Spielwaren alles angeboten wurde. Hinzu kam ein Selbstbedienungsrestaurant, das Platz für bis zu 300 Gäste bot. Mit „Air-Condition“ und „Telefonautomaten mit Fernwahl“8 wurde zusätzlich um Kundschaft geworben.9 Die „Forum-Kaufhäuser“ waren österreichweit dabei sehr ähnlich strukturiert. Zentrale Kernstücke bildeten immer der „Konsum-Markt“ mit seinem Lebensmittelsortiment und das Selbstbedienungsrestaurant.10 Im Großen und Ganzen entsprachen das Angebot und die Struktur, die in der folgenden Abbildung für das „Forum-Kaufhaus“ Salzburg grob zusammengefasst sind, bereits sehr stark modernen Einkaufszentren von heute. Das Sortiment reichte von einem umfangreichen Modeangebot bis zu Elektronikwaren.

Die Eröffnung des „Forum-Kaufhauses“ war von zahlreichen Werbeschaltungen in der Tageszeitung Salzburger Nachrichten begleitet (Abb. 3). Besonders wurde hier auf das vielfältige Angebot im „größten Kaufhaus Westösterreichs“11 hingewiesen und ein starker Fokus auf das Thema Mode für alle Altersgruppen gelegt. Zusätzlich wurden konsumgenossenschaftliche Eigenmarken, wie zum Beispiel der „Cirkel-Kaffee“ besonders beworben. Mit der Eröffnung des Einkaufszentrums wurde die Bedeutung des Einzelhandels im Stadtteil zusätzlich erhöht.12

Abbildung 3: Werbeschaltung „Forum-Kaufhaus“, Salzburger Nachrichten, 18. Oktober 1973.

N.N., Heute eröffnet das größte Kaufhaus Westösterreichs, in: Salzburger Nachrichten, 18.10.1973, 12.

Laut eines Berichts des Salzburger Instituts für Alltagskultur hielten sich Kinder und Jugendliche besonders häufig im „Forum-Kaufhaus“ auf, wofür einerseits die Nähe zum Hauptbahnhof sowie das geringe Freizeitangebot in der Bahnhofsgegend verantwortlich waren. Viele Schüler*innen, die mit dem Zug pendelten vertrieben sich daher die Wartezeit im Einkaufszentrum, aber auch Kinder aus der Gegend hielten sich in ihrer Freizeit häufig dort auf. Das junge Publikum war der Geschäftsleitung durchaus bekannt. Daher wurde beispielsweise in der Vorweihnachtszeit ein Fernseher mit Videorekorder installiert, der laut Angaben einer damaligen Verkäuferin ständig von 40 bis 50 Kindern und Jugendlichen belagert war. Eine Werbemaßnahme, die bald auf das ganze Jahr ausgeweitet wurde. Zudem wurde im Selbstbedienungsrestaurant ein eigenes „Schüler*innen-Menü“ um 10 Schilling angeboten, um den Aufenthalt attraktiver zu gestalten.13 Als „Konsument*innen von morgen“ waren Kinder und Jugendliche eine wichtige Zielgruppe.14

Neben Werbeschaltungen in Zeitungen setzte man bei den „Forum-Kaufhäusern“ stark auf Events. So wurden zum Beispiel „Forum-Festivals“ veranstaltet, um den Besuch im Einkaufszentrum besonders interessant zu gestalten. Die Kund*innen bekamen dabei einen eigenen „Forum-Pass“. In diesem Pass waren bereits „[…] Namen, Adresse sowie als besonderes Service Konfektionsgröße, Halsweite, Schuhgröße usw. des Kunden“15 vermerkt. Zusätzlich boten „[…] vier Gutscheine […] dem Paß-Inhaber vier Vorteile, wie zum Beispiel ein Geschenk nach freier Wahl aus der Geschenk-Boutique des Kaufhauses oder ein Festival-Kurzkredit der Gara.“16 Darüber hinaus wurde eine „Auto-Modeschau“, Preisausschreiben, Autogrammstunden sowie eine eigene „Kinder-Jause“ und „Roller-Rennen“ im Rahmen des Festivals organisiert.17 Man setzte bei den Werbemaßnahmen auch auf sogenannte „Schwerpunkt-Wochen“. Im Jahr 1975 fand im „Forum-Kaufhaus“ Salzburg unter dem Motto „Rendezvous mit Frankreich“ zum Beispiel eine französische Themenwoche statt.18

Das „Forum-Kaufhaus“ war ein wesentlicher Teil des im Jahr 1975 fertiggestellten „City‑, Wohn- und Geschäftszentrums“ am Südtiroler Platz. 200 Millionen Schilling wurden dabei laut Angaben eines Beitrags aus der Zeitschrift Salzburger Wirtschaft in dieses Projekt investiert.19 Das entspricht angepasst an die heutige Kaufkraft und inflationsbereinigt rund 58 Millionen Euro.20 Abbildung 4 zeigt den Bahnhofsvorplatz im Jahr 1985: Im linken hinteren Bildbereich lässt sich das fertige „City‑, Wohn- und Geschäftszentrum“ erkennen. Es bestand aus dem „Forum-Kaufhaus“, dem Bürogebäude der Bundesländerversicherung und den neu entstandenen Wohnblocks. Rechts neben dem „Forum-Kaufhaus“ befindet sich der damals noch oberirdisch gelegen Lokalbahnhof und in der Mitte des Platzes der Busbahnhof. In Bezug auf den Standort lässt sich nicht eindeutig belegen, ob die Nähe zum Hauptbahnhof ein ausschlaggebender Grund für die Wahl gewesen ist. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass der Baugrund sich bereits davor im Besitz der KG „Union“, dem in der Landeshauptstadt aktiven Konsumgenossenschaftsverein, befunden hat.21

Abbildung 4: Blick vom Hotel Europa auf den Salzburger Hauptbahnhof, 1985.

N.N., Blick vom Hotel Europa auf den Salzburger Hauptbahnhof, Salzburg 1985, Salzburger Stadtarchiv, Sign. 1202.0587.

Dem „Forum-Kaufhaus“ in der Elisabeth-Vorstadt kommt aus historischer Perspektive eine besondere Bedeutung zu, handelte es sich dabei nämlich nicht nur um eines der ersten modernen Einkaufszentren in der Stadt Salzburg, sondern spiegelte sich im Aufbau und der Struktur sowie in den Werbemaßnahmen auch direkt die Entfaltung des modernen Massenkonsum nach internationalen Vorbildern wider. Heute hat der Einzelhandel im Stadtteil an Bedeutung verloren, war jedoch in den 1970er Jahren, neben den Einzelhandelsballungen in der Salzburger Altstadt, von erheblicher Relevanz.22 Im Allgemeinen veränderte sich in den 1960er und 1970er Jahren das Konsumverhalten nachhaltig und damit einhergehend auch die Einzelhandelskonzepte. Inwieweit man in diesem Kontext von einer „Amerikanisierung“23 sprechen kann, ist eine Frage, die an dieser Stelle offenbleibt. Man folgte jedenfalls bei der Gestaltung von Einkaufszentren dem Vorbild der amerikanischen „Shopping Mall“, auch wenn das Salzburger „Forum-Kaufhaus“ in einigen Punkten davon abwich, lag es doch zentral im Stadtgebiet mit einem vergleichsweise geringen Parkplatzangebot.24 Die Konsumgenossenschaftsvereine wollten jedenfalls mit der Eröffnung von Einkaufszentren den neuesten Trends des modernen Konsumverhaltens entsprechen.25

Lina Güntner


  1. Vgl. Erich Marx / Thomas Weidenholzer, Chronik der Stadt Salzburg 1970 – 1979, Salzburg 1993, 98. ↩︎
  2. Vgl. Peter Höfferer / Florian Jagschitz / Siegfried Rom, 160 Jahre Konsumgenossenschaft in Österreich, Wien 2016, 49–51. ↩︎
  3. Christian Dirninger, Handel im Wandel – Vom Greißler zum Supermarkt, in: Hans Haas / Robert Hoffmann / Robert Kriechbaumer, Hg., Salzburg. Städtische Lebenswelt(en) seit 1945, Wien / Köln / Weimar 1988. ↩︎
  4. Vgl. N.N., Kaufen und Verkaufen, in: Susanne Breuss, Hg., Die Sinalco-Epoche. Essen, Trinken, Konsumieren nach 1945, Wien 2006, 56. ↩︎
  5. N.N., Nun auch in Mürzzuschlag: Alles unter einem Dach, in: Die Konsumgenossenschaft 58/34 (1964), 268, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=1964&page=272 (10.06.2024). ↩︎
  6. Vgl. Eberhard Moller, Unter großen Dächern. Einblicke in die Welt der Shopping Malls, in: Der Stahlbau 85/9 (2016), 636. ↩︎
  7. Vgl. N.N., Forum-Kaufhausgruppe weiterhin auf Expansionskurs, in: Die Konsumgenossenschaft, 67/23 (1973), 5, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=1973&page=362 (10.06.2024); vgl. N.N., KGW – Beispiel einer modernen Konsumgenossenschaft, in: Die Konsumgenossenschaft 67/1 (1973), 9, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=1973&page=13 (10.06.2024); vgl. N.N., Forum Innsbruck – Das größte Kaufhaus Tirols, in: Die Konsumgenossenschaft 66/22 (1972), 255, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=19720122&seite=3 (10.06.2024). ↩︎
  8. N.N., Forum-Kaufhausgruppe weiterhin auf Expansionskurs, 5. ↩︎
  9. Vgl. N.N., Forum-Kaufhausgruppe weiterhin auf Expansionskurs, 5; vgl. Volker Marten, Die Verteilung des Einzelhandels in der Stadt Salzburg, Dissertation, Universität Salzburg 1978, 50. ↩︎
  10. Vgl. ebd., 18; vgl. N.N., Das neue Forum-Kaufhaus – eine Bereicherung für Klagenfurt, in: Die Konsumgenossenschaft 65/23 (1971), 304, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=19720126&seite=3 (24.06.2024). ↩︎
  11. N.N., Heute eröffnet das größte Kaufhaus Westösterreichs, in: Salzburger Nachrichten, 18.10.1973, 12. ↩︎
  12. Vgl. Gabriela Goetz, Die Elisabeth-Vorstadt. Ihre Entstehung, Entwicklung und funktionelle Gliederung, Universität Salzburg 1982, 81–102. ↩︎
  13. Vgl. Alltag am Bahnhofsvorplatz. Bilder – Beobachtungen – Geschichten, Dezember 1985, Salzburger Stadtarchiv, Verwaltungsarchiv nach 1945, 1213,1; nicht paginiert. ↩︎
  14. Vgl. Emil J. Knotzer, Die Marketingpolitik des „Konsum Österreich reg. Gen.m.b.H.“ 1978-1995, 2 Bde., Wien 2003, 41–51. ↩︎
  15. N.N., Auch heuer wieder: Forum-Festival, in: Die Konsumgenossenschaft 65/19 (1971), 220; online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=19710119&seite=4 (10.06.2024). ↩︎
  16. Ebd., 220. ↩︎
  17. Vgl. ebd., 220. ↩︎
  18. Vgl. N.N., Französische Wochen in acht Forum-Kaufhäusern, in: Die Konsumgenossenschaft 69/10 (1975), 8, online unter: ANNO, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=kov&datum=19750110&seite=8 (10.06.2024). ↩︎
  19. Vgl. N.N., „City-Zentrum“ für 200 Millionen Schilling, in: Salzburger Wirtschaft, 10.01.1975, 16. ↩︎
  20. Vgl. Historischer Währungsrechner, online unter: OeNB Finanzbildung, https://finanzbildung.oenb.at/
    docroot/waehrungsrechner/#/
    (28.05.2024). ↩︎
  21. Vgl. N.N., KGW, 9; vgl. N.N., Forum Innsbruck, 255. ↩︎
  22. Vgl. Marten, Verteilung, 63. ↩︎
  23. Reinhold Wagenleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach 1945, Wien 1991; Heinz-Gerhard Haupt / Paul Nolte, Konsum und Kommerz, in: Christof Mauch / Kiran Klaus Patel, Wettlauf um die Moderne. Die USA und Deutschland 1890 bis heute, Bonn 2008, 187–223. ↩︎
  24. Vgl. Moller, Dächern, 636. ↩︎
  25. Helene Blendorfer, Wegwerfen ist eine Sünde. Österreichische Konsumgenschichte aus beinahe 100 Jahren, Wien / Köln / Weimar 2019; Susanne Breuss, Hg., Die Sinalco-Epoche. Essen, Trinken, Konsumieren nach 1945, Wien 2006; Christian Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, Göttingen 2008; Frank Trentmann, Herrschaft der Dinge. Die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis heute, München 2017. ↩︎